HELLHÖRIG
Einen so prosaischen, beachtlich unmusikalischen Einstieg in Giuseppe Verdis Ägyptenoper «Aida» wie jetzt am Theater Chemnitz hat man noch nicht erlebt: Verdis Vorspiel schweigt, wenn der Vorhang sich öffnet und den Blick aufs pralle Bühnenleben freigibt. Sind wir im zweiten Bild von Puccinis «Bohème», im Menschentrubel des Pariser Quartier Latin? Bunt gewandete, nervös posierende Menschen drängeln sich minutenlang ohne Musik herum. Dass die schöne Sklavin Aida an einem solchen Ort ihr Liebesleid besingen und beweinen soll, erscheint unwahrscheinlich.
Klar ist von Anfang an: «Aida» ist, bei allem lyrischen Glanz, eine brutale Kriegsoper, entstanden im Deutsch-Französischen Krieg 1870. Davon handelt das stumme Vorspiel mit verwirrten Menschen, die nach sich selbst und ihren Aufgaben suchen, dem künstlerischen Sinn und Zusammenhalt in der kriegsbedingt hastigen Vorbereitung auf die Aufführung der Oper «Aida». Ein bekanntes Zweierteam war in Chemnitz mit der szenischen Oberhoheit betraut worden: Bühnenund Kostümbildner André Barbe sowie Regisseur und Choreograf Renaud Doucet, seit 2000 ein Gespann. Ihnen oblag zunächst vieles: Konzept undDramaturgie, Regie, Bühne, Kostüme. Nur ...
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Opernwelt 6 2022
Rubrik: Panorama, Seite 52
von Wolfgang Schreiber
Richard Wagners «Parsifal» verlangt nicht das innovative, blechgepanzerte Orchester des «Rings» und keine konditionell grenzwertigen Gesangspartien à la Brünnhilde und Siegfried. Dennoch ist das «Bühnenweihfestspiel» mit seinem charakteristisch tiefgelegten Klang aus Streicher-Chiaroscuro und dominanten Männerstimmen (auch im Chor) ebenso offensichtlich für...
Hier hat die Abrissbirne gewaltig zugeschlagen! Opernregie-Debütant Edoardo De Angelis – er kommt vom Film – bemüht sich erst gar nicht, zu Beginn von Puccinis «Tosca» einen schönen Nachbau der Kirche Sant’Andrea della Valle zu zeigen (beziehungsweise von Mimmo Paladino errichten zu lassen). Auf der großen Bühne des Teatro San Carlo in Neapel sehen wir ein...
Plitsch – platsch – plitsch – platsch: Drei Akte lang ging das so. Wenn das Bayreuther Festspielhaus noch ein Tempel wäre, dann hätte Hermann Nitsch ihn im vergangenen Sommer entweiht – allein schon durch die Geräusche, die Farbe macht, wenn man sie eimerweise auf eine Leinwand schüttet, oder eher: wirft. Der Corona-Sommer machte es möglich, zu Wagners konzertant...