Heiter bis wolkig
Am ehemaligen Stammhaus seines vor 21 Jahren verstorbenen Lehrmeisters (dessen «Ring»-Deutung er ebendort ablöst) gibt sich Stefan Herheim auf den ersten Blick als gelehriger Schüler. Denn fast gebetsmühlenartig predigte Götz Friedrich seinerzeit den Studierenden, sie mögen doch bitte bei der Konzeption ihrer Inszenierungen unbedingt die drei dramaturgischen Zeiten bedenken: die im Libretto niedergelegte Epoche, die Entstehungszeit des Stücks sowie die Gegenwart der aktuellen Aufführung.
In Wagners Tetralogie sind dies der Mythos der germanischen Götterwelt, die Mitte des 19. Jahrhunderts und das Jahr 2021. Das auf der Bühne nachgebaute Foyer der Deutschen Oper Berlin führt uns zur nornenraunenden Frage des «Weißt du, wie das wird?» sogleich ins Hier und Jetzt, gottlob ohne Andeutungen der Corona-Einschränkungen: Man sitzt wieder eng an eng im Saal; Solisten, Chor, Extrachor und Statisterie kommen sich so nah, wie der norwegische Regisseur es von ihnen verlangt. Erstaunlich genug: Das Ambiente der nachkriegsmodern nüchternen Westberliner Spießigkeit im Bornemann-Bau passt perfekt zur Gibichungen-Gesellschaft der «Götterdämmerung», wo das hinterrücks fiese Intrigieren maskiert ...
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Opernwelt Dezember 2021
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Peter Krause
Der Neue sei da, verkündet das Opernhaus Zürich auf seinen Plakaten: der neue Generalmusikdirektor. Die Fanfaren haben ihre Berechtigung, Gianandrea Noseda hat einen fulminanten Start hingelegt – mit Giuseppe Verdis »Trovatore«, einem Stück aus seinem Kernrepertoire. Schön laut klingt es an diesem Abend, nämlich laut und schön. Verdi wird oft, und zwar vokal wie...
So etwas ist ja nicht nichts, heutzutage, wo Feines, Kleines besonders gefragt scheint. Ein farbenreich abschnurrendes Kammerspiel mit kleinem Orchester, fünf Solistinnen und Solisten auf der Bühne, die in 17 Rollen schlüpfen, Alter und Geschlechter fliegend wechseln, mit einem Wort also hochvirtuos sein müssen, dazu eine «fabelhafte» Handlung eines bestens...
Englische Puritaner sollen einst auf Jahrmärkten der Bären «Tanzen» auf glühenden Eisen verboten haben: nicht aus Mitleid mit den Tieren, sondern weil sich die Leute nicht amüsieren sollten. Robert Wilson erzählte einmal analog, dass strenggläubige Südstaatler es triftig fanden, dass Abraham Lincoln in einem Theater erschossen wurde: Ort der Lustbarkeit und Sünde,...