Hausmannskost
Die Mythe lügt, meinte sinngemäß Gottfried Benn. Für Wagner-Regisseure übersetzt sich das in etwa so: Man kann alles machen, der mythologische Klempnerladen ist ein Vielzweckinstrument. Dem erfinderischen Erzählen bieten sich endlos viele Möglichkeiten, eine Fundgrube schon das Potpourri der angefangenen, abgebrochenen, fragmentierten Geschichten.
In Stephan Müllers Kasseler «Tristan»-Sicht beginnt es quasi abstrakt mit einem leeren Raum à la Wieland Wagner und monumental zwischen Statuarik und Echauffiertheit changierenden Personen.
Der sieche Tristan, der sich durch Schlücke aus der Mineralwasser-Pfandflasche erfrischt, scheint dagegen eher eine Hommage an Frank Castorf zu sein. Als szenische Eigeneingebung steuert Müller die halbkomische Obsession bei, Auftritte als Liftfahrten von der Unterbühne auf den glatten Bühnenboden vorzuführen. Auch Michael Simons Bühnenbilder finden zwischen Zeigefinger (leitmotivische Großprojektion des entfleischten Morold) und unverbindlich-vielsagender Dekoration (verschnürte Pakete vor erleuchtetem Rückprospekt in Akt zwei) keine stilistische Kohärenz. Hilflos gar der lange dritte Akt, angesiedelt in einem winzigen Fensterausschnitt in halber ...
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