Handel's Queen

Das Singen wurde ihr in die Wiege gelegt. Dennoch studierte die britische Sopranistin Mary Bevan zunächst Literatur, bevor sie sich ganz auf ihre Karriere konzentrierte. Ein Porträt

Opernwelt - Logo

Die Frau spinnt. Scheint völlig neben der Spur zu sein. Vermutlich eine Nymphomanin. An jedem Typen, der vorüberkommt, schnüffelt sie herum wie an einer Linie Koks; ob alt oder jung (der Typ, nicht das Kokain), spielt keine Rolle. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass diese Morgana in ihrem Leben vor allem ein Ziel hat, und das besteht darin, Männer zu verführen. Also rennt Alcinas Punk-Schwester. Rennt in ihrem durchscheinend-dunkelblauen Vintagekleid, mit coolschwarzen Doc Martens an den Füßen über die Bühne – jedoch nicht um ihr Leben, sondern dem «Joy of Sex» hinterher.

Nur einen übersieht sie lange Zeit, und das ist ausgerechnet jener Mann, der sie aufrichtig liebt. 

Für Mary Bevan scheint die Partie wie gemacht. Sie verlangt Spielfreudigkeit und Schnelligkeit nicht nur im Vokalen, sie verlangt Agilität, Flexibilität, Variabilität. Und sie liegt hoch. Etliche Male umkreist Morganas Tessitur das zweigestrichene a, nicht selten ist in der Partitur davor ein gewaltiger Sprung aufwärts notiert. Doch die englische Sopranistin fliegt über diese Bergwelten in Händels «Alcina» mit rhetorisch eleganter Leichtigkeit hinweg. Gefragt, wie viel Prozent von Morgana in ihr selbst wohnen, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Porträt, Seite 48
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Im Vergleich

Zwischen «Luisa Miller» und «Rigoletto» komponierte Giuseppe Verdi seinen «Stiffelio», ein Werk, das nach seiner Uraufführung in Triest von der Bildfläche verschwand und in der originalen Gestalt erst 1968 in Parma wiederaufgeführt wurde. Bis heute ist es in der Familie der Verdi-Opern ein ungeliebtes Stiefkind. Aachen und Dijon zeigten nun höchst unterschiedliche,...

Zwischen den Fronten

Uraufführungen gehören an der Oper Erfurt zum guten Ton. 20 in Auftrag gegebene und dort erstmalig aufgeführte Novitäten seit Bezug des Neubaus 2003 bilden eine beachtliche Bilanz für ein Haus dieser Größe.

In der aktuellen Spielzeit unter dem Delphi-Motto «Erkenne dich selbst» wird nun ein Kapitel der Nachkriegsgeschichte des modernen Griechenlands aufgeschlagen....

Mordfantasien

Man liest es und staunt. «Mordgedanken» hat Katharina Ruckgaber ihren kleinen Essay im Booklet überschrieben – und führt im Folgenden tatsächlich aus, wie es ist, wenn man solche Aufwallungen in sich spürt und wenn man, vor allem aus Eifersucht, zur Mörderin werden kann, um eine Rivalin (im wahrsten Sinn) auszustechen. Doch keine Angst, hier wird niemand getötet....