Gesichter des Heiligen
Zu den Grundvoraussetzungen ästhetischer Moderne gehört der Zweifel: an traditionellen Werten, Inhalten, Formen, Techniken, Materialien. Wenn Hegel lakonisch definierte: «Der Weg des Geistes ist der Umweg», dann meinte er genau dies: Direkt lässt sich nun einmal nicht zur Wahrheit – wie auch immer – gelangen. Die Entscheidung für den «Umweg» hat denn auch elementar mit der Scheu vor dem eindeutig Gegebenen zu tun. Zum Beispiel bei Robert Schumann: weitaus riskanter in seinen Strategien, als es das Klischee vom träumerischen Romantiker will.
Selbst er glaubte, sich der Tradition der Sonate nicht kategorisch verweigern zu sollen, doch Typus und Bezeichnung wich der junge Schumann geradezu panisch aus.
Ähnlich erging es nicht wenigen Komponisten mit der Gattungsbezeichnung «Sinfonie» – erst recht mit der «Oper», einer Institution, die in gleich mehrfachem Sinne für Äußerlichkeiten, gesellschaftlichen Pomp, musikalische Inhomogenität, ja Trivialität stand. Nicht zuletzt für die spezifisch deutsche Kunstreligion der «absoluten Musik» war das Musik-Theater ohnehin eine gefährlich schiefe Bahn weg von den wahren Werten. Noch heute kann man musikalisch hoch kompetenten Professionals aus ...
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Opernwelt August 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Gerhard R. Koch
Kaum zu glauben: Alban Bergs «Lulu», längst ein Klassiker des modernen Musiktheaters, erlebte erst jetzt, 74 Jahre nach der Uraufführung, in Erfurt ihre thüringische Premiere. Im Spielplan des Hauses ist sie gleichsam Fortsetzung der im vergangenen Jahr ausgegrabenen «Nana» von Manfred Gurlitt, die etwa zur selben Zeit entstanden ist. «Anstrengende Opernkost»,...
Frau Erdmann, beginnen wir apodiktisch. Es wird behauptet, Künstler seien abgehobene Wesen. Womöglich ein falsches Bild. Aber es ist in der Welt. Wer transportiert dieses Bild?
Na ja, wer transportiert das? Das sind schon die Medien.
Wer gibt den Medien die Informationen, ohne die sich ein solches Image kaum fügen lässt?
Vielleicht wollen die Menschen genau das im...
Es leuchtet ein, dass sich Antonio Pappano im Zuge seiner frisch entdeckten Rossini-Begeisterung zunächst «Guillaume Tell» zugewandt hat: Schließlich steht der «Tell» als französische Grand Opéra eines emigrierten Italieners für die Symbiose aus italienischen Wurzeln und musikalischem Weltbürgertum, die auch den in Großbritannien und den USA aufgewachsenen...