Geliebter Hades

Ernst Kreneks «Orpheus und Eurydike» in einer dokumentarischen Aufnahme

«Orpheus und Eurydike», 1923 entstanden und 1926 in Kassel uraufgeführt, ist neben der zweiten Symphonie eines der Hauptwerke aus Kreneks expressionistisch-atonaler Frühphase. Während er sonst die Texte zu fast allen seinen Opern selbst schrieb, griff er hier zu Oskar Kokoschkas 1919 im Druck erschienenen Drama – einer modernen Version des antiken Stoffs, die gleichermaßen von Strindbergs Kampf der Geschlechter wie von den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs geprägt ist.

Die Beziehung des Sängers Orpheus zu seiner Gattin Eurydike wird aller humanistischen Überhöhung entkleidet und – im Zeichen Freuds – als schonungslose Analyse einer Hassliebe vorgeführt. Die Furien töten Eurydike und entführen sie in die Unterwelt. Als Orpheus nach fünf Jahren hinabsteigt, bekennt sie, die Geliebte des Hades geworden zu sein. Orpheus wird wahnsinnig, von den Mänaden erhängt und will trotzdem in einer letzten visionären Begegnung mit dem Geist Eurydikes von seiner Liebe nicht lassen: «Hinter der Liebe bis in den Tod steckt – Hass!» Ein entsühnendes Nachspiel, in dem die mit Amor wiederversöhnte Psyche die aufgehende Sonne begrüßt, beschließt das Stück.

Krenek gelingt es, dieses Drama ...

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Opernwelt Februar 2017
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 21
von Uwe Schweikert

Vergriffen
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