Flucht in die Anderswelt
War Camille Saint-Saëns schwul? Dino Hecker hat zu dieser These einige Indizien zusammengetragen: die starke Mutterbindung, das Scheitern der Ehe und die vielen Reisen nach Nordafrika, «wo Dinge möglich waren, die in Europa als verpönt galten». Lassen sich in Ariadne und Zerbinetta homosexuelle Prototypen erkennen? Ja, sagt Rainer Falk: «die Drama Queen und die Schlampe».
Und Sven Limbeck zitiert in seiner Analyse von «Hänsel und Gretel» Christian Thielemann, der 2015 anlässlich einer Wiener Neuproduktion über die Besetzung der Hexe mit einem Tenor sagte: «Sie können es auf Ambiguität machen, um nicht zu sagen ‹schwul› machen. Aber so war das nicht gemeint.»
Seit der Erfindung des Genres haben sich schwule Männer für die Oper begeistert. Für viele Homosexuelle, die ihren Gefühlen nur im Verborgenen freien Lauf lassen konnten, wurde die Welt des Musiktheaters zum Schutzraum. «Das Theater ist ein realer Ort, der einerseits soziale Zugehörigkeit ermöglicht und andererseits im Spiel auf der Bühne ‹Anderswelt› erzeugt», schreiben die Herausgeber von «Casta Diva». «Hinter dem Vorhang öffnet sich ein Raum, in dem die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft nicht gelten.» Sven Limbeck und ...
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Opernwelt Februar 2020
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 27
von Frederik Hanssen
Welche Räume braucht das Musiktheater im 21. Jahrhundert? Eine Frage, die sich dringlich stellt, wenn marode Häuser mit großem Aufwand saniert und modernisiert werden müssen, etwa in Stuttgart, Frankfurt oder Karlsruhe. Auch am Nationaltheater Mannheim beherrschen bald Bauleute die Szene – in Absprache mit Künstlern und Beschäftigten, wie Geschäftsführer Marc...
Ein Schuss in völliger Dunkelheit. Ein Aufschrei. Knall auf Fall sieht sich das Publikum in die Gegenwart verabschiedet, die sich prinzipiell nicht unterscheidet von dem Geschehen auf der Bühne. Auf der Place de Neuve wirkt zwar alles friedlich. Aber etwas weiter weg könnte man sich ein Theater, wie Heike Scheele es auf die Bühne des Grand Théâtre gebaut hat,...
Unsere Wege haben sich leider viel zu spät gekreuzt. Ich war immer voller Bewunderung für seine Arbeit, und auch er fragte mich bei dem ersten Zusammentreffen, warum es so lange gedauert habe. Das war 2016 in München, bei den Proben zu Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk» an der Bayerischen Staatsoper. Da sprang eine spontane Sympathie über, die vielleicht...
