Flieg, Schmetterling, flieg!

Riccardo Chailly dirigiert an der Scala Puccinis «Madama Butterfly» aus dem Geist eines zeitlosen Expressionismus, Alvis Hermanis sucht sein Heil im Illustrativ-Stilisierten

Der Tod trägt zwei Kreuze. Wie bei Mimì. Jetzt verabschiedet sich auch Cio-Cio-San, ihre Schwester im Geiste, in h-Moll aus dem Diesseits – würdevoll, wie es die Tradition verlangt. Ihr Suizid bedeutet den Umschlag des Tragischen ins Erhabene, den Triumph des individuellen Willens. Wie hat es Kirilow, Dostojewskys Held, postuliert: Im Freitod liegt die einzige Freiheit des Menschen.

Madama Butterfly wählt ihn, um der Schande zu entgehen, und sie ist in diesen Sekunden, wo sie sich mit dem Dolch, den sie aus den Habseligkeiten ihres Vaters in die Ehe mit Pinkerton eingebracht hat, die Halsschlagader durchtrennt, alles andere als ein Schmetterling, zerbrechlich wie dünnes Glas: Sie ist eine Königstochter.

Alvis Hermanis sucht in Mailand nicht nach dem Schrecken des Todes. Er sucht das Ritualhafte darin, die einsame, stolze Entscheidung. Maria José Siri verkörpert beides von Beginn an. Nie bricht ihr Sopran aus ins Ekstatische, stets besticht er durch diskrete Zurücknahme, durch unterschwellige Energetik mehr als durch jenes outrierte Agieren, wie es – rollenaffin – Bryan Hymel als Pinkerton zu eigen ist. Fast scheint es, als habe sie dieses Ende lange im Voraus ...

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Opernwelt Februar 2017
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Jürgen Otten

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