Eins-zu-Eins- Niederlage
Ernst Kreneks extrem zwischen den Genres schwankende Oper «Jonny spielt auf» brachte ein Jahr nach ihrer Leipziger Uraufführung am Gärtnerplatztheater München 1928 den Skandal: Schlägereien, Polizei, Morddrohungen. Ausgelöst wurde der Krawall jedoch nicht durch das damals noch übliche und offenbar erwünschte Blackfacing der titelgebenden Hauptfigur.
Dass ein Schwarzer über alle triumphiert, dass ein gerade mal 27-jähriger Komponist die neuesten Klänge «von der Straße» in eine Opernpartitur implementiert – und letztlich auch noch die «Neue Welt», in die sich der schlaue Jonny triumphierend davonmacht, als utopisches Land des Glücks und der Freiheit darstellt: All das versetzte die sich damals aus ihrem Schlamm herauswindenden Nationalsozialisten in Rage. Und so wurde das Stück 1933 als «entartet» gebrandmarkt, verboten – und die rassistische Darstellung Jonnys (mit Saxophon) auf dem Klavierauszug der Krenek’schen «Zeitoper» fünf Jahre später als ikonisches Werbebild der Ausstellung «Entartete Musik» verwendet. Der Komponist ging – wie Jonny – bald nach Amerika.
In Peter Lunds präzise gemeißelter Inszenierung am Gärtnerplatztheater wird Jonny (spielfreudig, agil und anregend: ...
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Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Panorama, Seite 59
von Arno Lücker
Ursprünglich war die Mainzer Premiere von Luigi Nonos «Al gran sole carico d’amore» für den 14. März 2020 geplant, musste aber nach der Generalprobe wegen des Corona-Lockdowns abgesagt werden. Dass sie nach genau zwei Jahren doch noch stattfand, war ein Glücksfall – für das Haus, für das Stück. Die spiel- und gesangstechnischen Ansprüche der durch Live-Elektronik...
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