Eine Frage der Ehre
Joachim Herz war nicht nur ein ausgezeichneter Regisseur, er hatte auch eine so entschiedene wie eigenwillige Meinung über die Stücke, die er inszenierte. In einem Aufsatz von 1958 äußerte sich Herz ausführlich auch zu jenem Gespann, das bis heute gerne an einem Abend gezeigt wird – Pietro Mascagnis «Cavalleria rusticana» und Ruggero Leoncavallos «Pagliacci», den (neben Umberto Giordanos «Andrea Chénier» und «Fedora») wichtigsten Werken des Verismo.
Nur Gedankenlosigkeit könne die tiefe Kluft zwischen diesen Schöpfungen übersehen, in denen angeblich «die Wirklichkeit des Alltags für die Opernbühne» entdeckt werde (was, so Herz mit Ingrimm, unrichtig sei, da «gesungener Alltag ein Unding» sei). Zwar gäbe es auf den ersten Blick einige Gemeinsamkeiten: Beide Werke spielten an einem Festtag, in beiden Fällen betrüge eine Frau ihren Mann und führe die Eifersucht eines zurückgestoßenen Menschen die Entdeckung herbei, nach welcher der Liebhaber mit seinem Blut den Ehebruch bezahlen müsse. Dennoch: «Cavalleria» besitze, als ein «realistisches Kunstwerk», die Wucht einer Tragödie und die Naivität eines Volksstückes. «Pagliacci» hingegen sei, als ein Dokument des Naturalismus, (eines ...
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Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 24
von Jürgen Otten
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