Ein großer Abend
Das «erste richtige Liebesduett der Operngeschichte» nennt Ulrich Schreiber den betörenden Schlussgesang in Monteverdis «L’incoronazione di Poppea». Und ja, in diesem Duett ereignet sich Ungeheures; auf dem Fundament eines ostinaten, abschreitenden Lamentos besingt das Liebespaar in hehrer melodischer Schönheit sein Glück. Liebespaar? Genau daran hegt Evgeny Titov in seiner Neuinszenierung an der elsässischen Opéra national du Rhin – einer Gemeinschaftsproduktion mit der Oper Graz – seine Zweifel. Die musikalische Faktur gibt ihm in ihrem Auseinanderdriften recht.
Und so bewegen sich auch Poppea und Nerone zusehends voneinander weg. Er bleibt unten, sie, im weißen Hochzeitskleid (Kostüme: Emma Ryott), steigt die Treppe empor, die das zylinderartige Gebäude auf der Drehbühne umgibt. Die Symbole lassen keinen Zweifel zu: Poppeas Hände sind blutrot, und den Weg flankieren all jene Leichen, über die das Paar gegangen ist ...
Es gibt keine Liebe in diesem Stück, auch nicht bei Amor, der seinen Sieg im Prolog verkündet (ideal im Zusammenklang: die drei Göttinnen des Schicksals, der Tugend und der Liebe, Rachel Redmond, Julie Roset und Marielou Jacquard). In der sich um die eigene Achse ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Alexander Dick
Der vielleicht bewegendste Moment ereignet sich fast nebenbei gleich am Anfang, noch bevor das komplizierte, etwas ermüdend hin- und herwogende Geschehen um Macht, Liebe, Krieg und Freundschaft im präkolumbianischen Peru und Mexiko abrollt, noch vor den Staats- und Privataktionen um den Kriegshelden Montezuma und die Inkatochter Orazia (die er begehrt) und die...
Wartehallen von Flughäfen gelten als Unorte. Perfektioniert für ihre Aufgabe des möglichst reibungslosen, sicheren und schnellen Transfers möglichst vieler Menschen und deren Gepäck sollen sie gerade so einladend sein wie unbedingt nötig. Entscheidend ist die Eindeutigkeit ihrer Funktionen. Poesie wird hier jedenfalls nicht gebraucht. Für Claudio Monteverdis «Il...
Eine Komödie ist eine Komödie ist eine Komödie? Glauben wir Henri Bergson, verhält es sich etwas komplizierter. Es gibt Komödien, die aus sich selbst heraus wirken und den Bereich des Komischen nie verlassen, sie sind derb und direkt. Aber es gibt, siehe Tschechows Theaterstücke, auch Komödien, denen das Tragische immanent ist, ohne dass sie diese Immanenz...