Editorial Juli 2020
Der Satz ist Legende. Vielfach zitiert, je nach Kontext in dieser oder jener Weise gedeutet, von Dialektikern aufgrund seiner Wandelbarkeit hochgeschätzt. Und vielleicht hatte sein Autor genau dergleichen im Sinn, als er im 15. seiner Briefe «Über die ästhetische Erziehung des Menschen» diese kunstvolle Formulierung zu Papier brachte: «Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.
»
Es steht nicht zu vermuten, dass Friedrich Schiller auch nur im Traum ahnte, welch weitreichende, ja grundsätzlich neue «Bedeutung» sein Gedanke einmal erfahren würde. Fakt ist: Seit das Coronavirus unser Leben bestimmt, hat sich auch unser Verhältnis zum Spiel(en) komplett verändert. Nie zuvor war die Sehnsucht danach so groß, dass sich die Türen von Theatern, Opernhäusern, Bibliotheken, Museen wieder öffnen (was sie zwischen Moskau, Kiel, Mainz, Hannover, Zürich und Seoul teilweise bereits wieder tun). Den Grund hat kürzlich Helmut Lachenmann benannt; er liege, so der Komponist, im Wesen der Kunst selbst: «Kunst, wie beglückend und oder irritierend auch immer, so oder so belebend als sinnlich vermittelte Nachricht von Geist; ...
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Opernwelt Juli 2020
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Jürgen Otten
Herr Manacorda, Sie haben im Frühjahr, kurz vor Ausbruch der Corona-Krise, am Brüsseler Théâtre La Monnaie noch Mozarts drei Da-Ponte-Opern als zusammenhängenden Zyklus dirigiert, den Jean-Philippe Clarac und Olivier Delœuil als verzahnte Fortsetzungsgeschichte erzählen. Wie lange haben Sie sich auf dieses Experiment vorbereitet?
Insgesamt mehr als zwei Jahre! Ein...
Es gebe, schreibt Maurice Maeterlinck einmal, «eine alltägliche Tragik, die viel wahrer und tiefer ist und unserem wahren Wesen weit mehr entspricht, als die Tragik der großen Abenteuer. Sie ist leicht zu empfinden, aber schwer darzustellen». Gabriel Fauré fand für diese Tragik des Alltags, für die Erschütterungen im äußeren Gleichmaß des Lebens, den unhörbaren...
Ferdinando Paër (1771-1839) komponierte als Dresdner Hofkapellmeister fast zeitgleich mit Beethoven eine «Leonora» und wurde kurz darauf von Napoleon nach Paris engagiert, wo er eine ansehnliche Karriere machte. Seine «Agnese», 1809 im Auftrag eines Privattheaters geschrieben und wohl von Dilettanten in Parma aus der Taufe gehoben, war in der Folgezeit auf allen...