Editorial
Politisches Musiktheater – was heißt das heute? Mit welchen Mitteln müssten, sollten, könnten Komponisten und Interpreten arbeiten, um aufzurütteln, Geist und Sinne zu sensibilisieren für das wunde Wunder unserer Welt? Gewiss, Oper war schon immer politisch: Macht und Revolte, die Dialektik von Herr und Knecht, die Utopie eines erfüllten, von aller Not befreiten Lebens gehörten von Beginn an zu ihren bevorzugten Sujets.
Natürlich kommentierten schon Monteverdi oder Händel auch die Verhältnisse der eigenen Zeit, wenn sie, wie damals üblich, ihre Stoffe aus der antiken Mythologie bezogen. Kaum verhohlen löckt Mozart in seiner «Figaro»-Komödie den Stachel gegen das Feudalsystem. Und niemand wird bestreiten, dass Verdi in «La traviata» auch eine Macho-Kultur anprangert, in der sich rücksichtslose Libertinage und bornierte Ehrvorstellungen zu einer für die Heldin tödlichen Mischung verbinden. Die Reihe ließe sich mühelos bis ins Heute fortschreiben.
Eros der Aufklärung, Lust am Querschlägigen, Kunst als Einspruch – diese Spur zieht sich auch durch die Deutungs- und Rezeptionsgeschichte. Zumal das sogenannte «Regie- oder Regisseurstheater» kratzte seit den 60er-Jahren an der ...
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Opernwelt April 2015
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Wiebke Roloff & Albrecht Thiemann
Ein Orang-Utan-Weibchen, durch Käfighaltung, Transporte und Tierversuche geschunden, der rechte Oberarm aufgerissen, der Blick leer, das Haar so dünn, dass die Kopfhaut durchscheint – dergestalt zeigt sich die Zauberin Alcina am Ende von Georg Friedrich Händels gleichnamiger Oper. Kein glitzerndes Paillettenkleid von Louis Désiré, keine Strasssteinmaske für Stirn...
Mit der Klassik geht es bergab, das Interesse schwindet, das Publikum stirbt weg. So die gängige Meinung. Beim vom Internationalen Musikzentrum Wien (IMZ) organisierten Fachtreffen «Avant-Première» von Musikfilmproduzenten, Vertriebs- und Fernsehleuten war nun etwas anderes zu hören. «Wir befinden uns eindeutig in einer Zeit des radikalen Wandels, was die Art des...
Im Klassik-Jetset trifft man unausweichlich auf diesen ganz bestimmten Typ. Dem Aussehen nach lebt er ausschließlich von miesem Airlinefraß und matten Pausenhäppchen. Die Zähne schimmern gräulich, der Atem haucht Theatermoder. Über seiner Schulter hängt eine abgewetzte Kunstledertasche, und das ist dann auch schon alles, was er an Gepäck dabei hat. Darin: ein...