Doppelt gesehen
Der vielleicht bewegendste Moment ereignet sich fast nebenbei gleich am Anfang, noch bevor das komplizierte, etwas ermüdend hin- und herwogende Geschehen um Macht, Liebe, Krieg und Freundschaft im präkolumbianischen Peru und Mexiko abrollt, noch vor den Staats- und Privataktionen um den Kriegshelden Montezuma und die Inkatochter Orazia (die er begehrt) und die (falsche) Indian Queen Zempoalla (die ihn begehrt).
Für den Prolog zu John Drydens heroischem Trauerspiel hat Purcell diese kleine Szene unter kleinen Menschen komponiert: Ein Junge weckt seine Freundin aus sanftem Schlummer unter Platanen, weil Kriegstrompeten schallen und ihr Land überfallen werden wird: «By ancient prophecies we have been told / Our land shall be subdu’d by one more old ...»
Samuel Boden singt das anrührend einfach und kunstvoll zugleich. Ohnehin wird durchweg gut gesungen, aber ohne alles Glänzen-Wollen, die Solistinnen und Solisten treten nach ihren Nummern wieder in den feinen Chor von Emmanuelle Haïms Astrée-Ensemble zurück. Sie spielen nicht große Oper, denn Purcells Opus ultimum, unvollendet dazu, ist ja auch keine, sondern eine seiner fünf Semi-Operas, die den englischen Sonderweg des ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Holger Noltze
Arabella» gibt es immer mal wieder in Auszügen, beispielsweise vor etwa zwölf Jahren in Berlin, als man die hiesigen Philharmoniker mit der Strauss’-Hofmannsthal’schen Arbeit – 1933 in Dresden uraufgeführt wie auch die Nachbarwerke «Die ägyptische Helena» (1928) und «Die schweigsame Frau» (1935) – genießen konnte, zudem mit einer luxuriösen Besetzung: Renée...
Sie ist die amtierende Carmen in Herbert Fritschs knallbunter Inszenierung an der Hamburger Staatsoper: Die russische Mezzosopranistin Maria Kataeva absolviert Fritschs gnadenlose Überzeichnungen und ironische Klischeespielereien ebenso souverän wie das unvermeidliche Kastagnettengeklapper zu kreisenden Hüften. Kataeva gastiert auch an der Münchener Staatsoper und...
Orpheus leidet mächtig. Der Styx besudelt ihn aus drei Eimern mit Wasser, Erde und Blut. Eurydike erweist sich als ebenso zickig wie begriffsstutzig, während Amor sein Vexierspiel treibt und das Liebespaar zurückpfeift, wenn ihm etwas nicht passt. Dieser schelmische Cupido bedient sich tatsächlich einer Trillerpfeife, mit der er auch gern die Musik zerschneidet....