Diskurs mit der Community
Wenn der Musikjournalismus stirbt, dann stirbt die Opernkritik zuletzt. Wenn auch seltener und kürzer, hält sie sich noch im Feuilleton und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Eine Stichprobe in der Schweizer Mediendatenbank zeigt, dass die Berichterstattung sogar zunimmt. Dass die Opernkritik dabei sturmfester ist als die Berichterstattung über andere Gattungen, hat viele Gründe: Unter anderem hat die Oper ein primär bürgerliches Publikum, das noch immer traditionelle Medien nutzt.
Als die am höchsten subventionierte und gut besuchte Kunstform weckt sie in den Redaktionen zudem ein kulturpolitisches Verantwortungsbewusstsein, ihr genau auf die Finger zu schauen. Schließlich kommt der Oper – zumal an Repertoire-Häusern – die Logik des Spielbetriebs entgegen: Weil die Produktionen meist länger im Jahresprogramm stehen als Orchester- oder Jazzkonzerte, ist die Kritik nicht nur Resonanzraum für das Gewesene, sondern auch Orientierungshilfe für das potenzielle Publikum – eine Servicefunktion, die in den Kulturredaktionen immer mehr zählt.
Aber kann sich die Opernkritik darauf verlassen, dass ihr diese gattungsbedingten Vorteile das Überleben sichern? Ich denke, sie darf vor allem den ...
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Opernwelt Jahrbuch 2020
Rubrik: Wozu Musikkritik?, Seite 111
von Theresa Beyer
Ich stehe gemeinsam mit wenigen Musikerkollegen in der fast menschenleeren Philharmonie in Berlin. Ich, Kirill Petrenko am Pult und meine geschätzten Kollegen aus den Reihen der Berliner Philharmoniker. Ich singe den vierten Satz aus Mahlers 4. Symphonie. Corona-bedingt in der Fassung für Kammerorchester vor leeren Rängen. Ich weiß: Tausende Menschen hören mir an...
Es war der Morgen nach einer Premiere beim Festival in Aix-en-Provence im Jahr 2017, als ein Radiosender Jakub Józef Orliński um eine kurze Einspielung bat. Nein, sagte man ihm, er werde nicht zu sehen, nur zu hören sein, während er «Vedrò con mio diletto» aus Antonio Vivaldis «Il Giustino» singe. Also zog der Countertenor an, was man in einem südfranzösischen...
Als Wolfgang Amadeus Mozart 1790 zur Kaiser-Krönung Leopolds II. nach Frankfurt reiste, erhoffte er sich über die Anerkennung hinaus auch finanziellen Gewinn, doch das Ergebnis war «in betreff des Geldes mager». Und Mozart, der immerhin die Klavierkonzerte KV 459 und 573 gespielt hatte, reagierte verärgert: «Übrigens sind die Leute hier noch mehr Pfennigfuchser als...
