Deutschstunde
Man liest es und staunt. «Österreichische Erstaufführung». 90 Jahre hat es gedauert, bis man in jenem Land, das sich die Nazis 1938 per «Anschluss» einverleibten und aus dessen Reihen immerhin jener Dämon stammte, der für den Tod von mehr als 60 Millionen Menschen verantwortlich zeichnet, auf die Idee kam, ein Musiktheater zu programmieren, das zwei Jahre nach der Machtergreifung Hitlers so eindrücklich wie parabelhaft vor dem warnte, was da kommen würde, in «guter» alter deutscher Tradition.
Ein Werk, das man in keiner Sekunde genießen kann, weil es sich einer wie auch immer gearteten «Schönheit» verweigert, ja nicht einmal eine echte Geschichte erzählt. «Des Simplicius Simplicissimus Jugend» von Karl Amadeus Hartmann, kaum zufällig zunächst als Rundfunkoper ans Licht der Welt gedrungen, ist weit mehr imaginäres Theater und Hör-Lehr-Stück aus dem Geiste des Epischen Theater als eine Oper im herkömmlichen (dramatisch unterhaltenden) Sinne.
Interessant daran ist vor allem der Untertitel: «Bilder einer Entwicklung aus dem deutschen Schicksal», nennt der Komponist seinen «Simplicius». Darin steckt Vages, aber auch Bestimmtes: Da will jemand warnen, davor, dass sich Dinge wiederholen. ...
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Opernwelt Mai 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Jürgen Otten
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