Der Menschenliebe Macht
Das Ende ist der Anfang. Ein Herrscher zeigt, von Huldigungsklängen in strahlendem Dur begleitet, göttergleiche Milde und vergibt seinen Verschwörern, erst dem in sich zusammengesunkenen Sesto, dann der auch jetzt noch stolzen Vitellia. In Mozarts (vorgeblicher) Krönungsoper «La clemenza di Tito» ist es nach etlichen Irrungen, Wirrungen (und Falschmeldungen) die Konklusion, ein seria-typisches lieto fine. In Milo Raus Antwerpener Inszenierung bildet dies den Beginn einer Geschichte, die sich mit Mozart eigentlich nur noch am Rande beschäftigt.
Die Oper als Material für eine politische Erzählung, in der es um falsch ausgeübte Macht geht, um westliche Kolonalisierung und ihre Folgen, um das Schicksal nicht nur ganzer Völker, sondern zudem einzelner Menschen. Man kennt dergleichen moralisch fundiertes, politisch ambitioniertes Reenactment aus vielen Arbeiten dieses Regisseurs; der feine Unterschied besteht darin, dass er hier einen Stoff vorfindet, der sich zunächst heftig gegen solche Vereinnahmung und Umwertung wehrt.
Vor allem die Musik tut es, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Vermutlich war das der Grund für Rau, sie erst einmal zu dekonstruieren, sprich: sie ihres ...
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Opernwelt November 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 26
von Jürgen Otten
Am Tag, als sein Tod die Opernszene erschütterte, war er noch einmal in einem Filmausschnitt zu sehen. Videokünstler Manuel Braun hatte diesen in den sozialen Netzwerken verbreitet: die Schlusssequenz aus dem Bayreuther «Tannhäuser». Stephen Gould saß da neben Lise Davidsen am Steuer, er als Clown geschminkt, ihr Kopf an seiner Schulter ruhend. Gould steuerte den...
Es ist ein interessantes Experiment, das jüngst an der Opéra de Rouen Normandie angestellt wurde. In Zusammenarbeit mit dem Palazzetto Bru Zane, dem in Venedig beheimateten Zentrum für französische Musik der Romantik, brachte das Haus nach der Urfassung von Offenbachs «La Vie Parisiènne» im Jahr 2021 nun die Ur-«Carmen» heraus. Nicht in musikalischer Hinsicht:...
Oslos Opernhaus soll mehr sein als nur ein Musentempel – begehbares Wahrzeichen der Stadt und gesellschaftlich relevanter Ort der Begegnung. Nach einigen schwierigen Jahren inklusive Corona-Pandemie zeigt sich das nun mit neuem Führungsteam auch in der Programmgestaltung. Zur Spielzeiteröffnung kam ein Sujet auf die Bühne, das den Alltag vieler Menschen, nicht aber...