Der König ist nackt
«I am the king», sagt der König. Und noch einmal. Und während er das sagt, lässt er vor dem gesamten Hofstaat schwungvoll seine Hosen auf die Knöchel gleiten – Staatsaffären zur Morgentoilette. Das Publikum kichert. Aber den melancholisch verweilenden Sekundreibungen ist anzuhören: Mit einem König, der sich seines Königseins derart nachdrücklich versichern muss, wird es ein böses Ende nehmen. Irgendwann. Wahrscheinlich bald.
Die schwebenden Dissonanzen kennen wir schon aus «Written on Skin».
Doch die Sorge, George Benjamin könne einfach die Textur seines Mittelalter-Erfolgsstücks neu aufgelegt haben, verflüchtigt sich sofort. Seine neue Oper «Lessons in Love and Violence» bricht attacca los, hält sich mit einem Vorspiel nicht groß auf. Später sorgen zwischen den einzelnen Szenen ausgedehnte instrumentale Intermezzi für tiefe Schnitte, große Sprünge. Am Schluss des ersten Teils pocht das Schlagzeug leise auf Sekunden. Tick, tick, tick: Zeit verstreicht, sie rast, darauf ist die Struktur des Werks ausgelegt.
Das nun an Covent Garden uraufgeführte Stück dreht sich um Edward II. von England (1284-1327), Ausgangspunkt ist Christopher Marlowes Schauspiel von 1593. Erst letztes Jahr ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Die Mythe lügt, meinte sinngemäß Gottfried Benn. Für Wagner-Regisseure übersetzt sich das in etwa so: Man kann alles machen, der mythologische Klempnerladen ist ein Vielzweckinstrument. Dem erfinderischen Erzählen bieten sich endlos viele Möglichkeiten, eine Fundgrube schon das Potpourri der angefangenen, abgebrochenen, fragmentierten Geschichten.
In Stephan...
Alles in britischer Hand beim weltweit ältesten Barockfestival, den Göttinger Händel-Festspielen? Man möchte es meinen. Signifikant der hohe Anteil von Besuchern aus Großbritannien, die gleiche Dominanz bei den Ausführenden. Auch für die 98., unter dem Motto «Konflikte» stehende Ausgabe brachte der künstlerische Leiter Laurence Cummings vorwiegend Gäste von der...
Erst erwürgt Madame Mao ihren Gatten, dann schießt sie alle anderen über den Haufen, Amerikaner wie Chinesen. Schließlich ist es ihr Stück, das hier gespielt wird: «Das Rote Frauenbataillon» sollte, wie alles in Maos Ära, die Vergangenheit den kommunistischen Grundsätzen dienstbar machen, was mit einem Leichenberg aus 50 Millionen Toten endete. Im Libretto von...