Das Verschüttete aufspüren
Toshio Hosokawas Musik lebt aus dem Spannungsverhältnis von japanischer Tradition und westlicher Avantgarde. Drei seiner Opern – «Hanjo» (2004), «Matsukaze» (2011) und zuletzt «Stilles Meer» (2016) – beruhen auf Stoffen des japanischen Nō-Theaters. Für sein jüngstes Musiktheaterwerk «Erdbeben. Träume» hat Hosokawa sich, wie bei seinem Erstling «Vision of Lear» (1998), eines Klassikers der europäischen Literatur, Kleists Erzählung «Das Erdbeben in Chili», bedient.
Die Handlung ist bekannt: Josephe und Jeronimo geben sich heimlich ihrer verbotenen Liebe hin; Jeronimo wird eingekerkert, Josephe ins Kloster gesteckt und, als sie dort ein Kind gebiert, zum Tode verurteilt. Auf dem Weg zur Hinrichtung bricht ein Erdbeben aus, das die Stadt verwüstet. Josephe kann sich mit dem Kind retten, sie und Jeronimo finden sich wieder. Doch die Idylle erweist sich als trügerisch. Am Tag danach werden die beiden vom aufgehetzten Mob als «gotteslästerliche Menschen» (Kleist) und moralisch Schuldige der zerstörerischen Naturgewalt gelyncht – zusammen mit zwei weiteren Opfern, dem Kind von Elvire und Fernando sowie Elvirens Schwester Constanze, während Philipp, der Sohn von Josephe und Jeronimo, ...
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59. Jahrgang, Jahrbuch 2018
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Jürgen Otten, Albrecht Thiemann (V. i. S. d. P.)
Redaktionsbü...
Die Inszenierungen, in denen sie auftrat, besaßen wenig oder gar keine Sprengkraft. Umso mehr durfte man sich an der vokalen Virtuosität erfreuen, die Anna Netrebko versprühte – als Maddalena di Coigny im Mailänder «Andrea Chénier», wo sie für «die einsam hohe Kunst der cremigen Phrasierung, hell-licht schwebende Spitzentöne, glühende Piani und gutturale...
Ohne Spiel wäre die Menschwerdung des Menschen undenkbar, glaubte Friedrich Schiller. Nur als homo ludens sei dieser imstande, Sinn zu stiften. Nicht als auktorialer Erzähler, der über das Gute, Wahre und Schöne verfügt, sondern als Suchender in offenem Terrain. Der spielende Mensch handelt, spricht, tanzt, singt gleichsam auf Probe, um sich zu erkennen und die...
