CD des Monats: Im Garten der Lust

Asmik Grigorian singt Romanzen von Rachmaninow

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Der Dichter fabuliert im nächtlich narkotisierten Raum. Und eigentlich will er nur seiner Liebe Ausdruck verleihen. Doch das ist passé, die Angebetete hat ihn zurückgewiesen. Also zwinkert er ihr, mit gespitzter Feder, ein letztes Mal zu: «Sing nicht, du Schöne, sing nicht mehr, / Grusiniens gramerfüllte Lieder. / Sie rufen ferne Ufer her, / Sie wecken altes Leben wieder.» Und weiter treibt es ihn, schmerzerfüllt, voller Wehmut: «Die mitleidlose Melodie / Ruft, ach, aus längst versunkener Ferne / Die Steppe und die Nacht – und sie, / Das arme Kind, im Licht der Sterne.

» Ist da noch Hoffnung? Ja, ein Fünkchen glimmt: «Die liebe, dunkle Traumgestalt, / Vergesse ich, wenn ich dich sehe; / Du singst vor mir – und mit Gewalt / Ergreift mich wieder ihre Nähe.» Es waren wohl vor allem diese traumartigen Verse, die Sergej Rachmaninow inspirierten, das zweite Gedicht aus Puschkins Zyklus «Alle Augen» zu vertonen, erlaubten die Zeilen ihm doch, der Singstimme durch des Dichters Worte hindurch seine eigenen Seelenqualen zu überantworten. Doch nicht einmal Rachmaninow konnte ahnen, mit welcher ungezügelt-ursprünglichen Vehemenz diese Musik dereinst auf uns herabprasseln würden – als Statement ...

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Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Hören, sehen, lesen, Seite 33
von Jürgen Otten

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