Bühnenfieber

Wahre Kunst, schreibt Siri Hustvedt in einem ihrer Essays, hat die Eigenschaft, uns nervös zu machen; im positiven Sinn. Will man die Kunst Gwyneth Jones’ beschreiben, liegt man mit dieser Sentenz wohl nicht ganz falsch. Wenn die walisische Sopranistin die Bühne betrat, wurde der Zuschauer festgehalten, gebannt, zuweilen gar geblendet. Nicht erst, als sie die Brünnhilde im Bayreuther «Jahrhundert-Ring» sang, sondern von Anfang an. Ob die Partie Eurydike hieß, Amelia oder später Sieglinde, Elisabeth, Leonore, Elektra, Klytämnestra: Sang die Jones, bebte der Boden.

Ausstrahlung – das ist nicht neu, aber deshalb nicht weniger richtig – lässt sich kaum erlernen: Sie ist eine Gabe. Gwyneth Jones hat Ausstrahlung bis heute, auf der Bühne und dahinter. Eine Mischung aus Erotik und Unschuld: In ihrem Gesang wie ihrem Spiel liegt beides. Immer. Am 7. November hat Dame Gwyneth Jones ihren 80. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren spät, doch von Herzen!  

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Opernwelt Dezember 2016
Rubrik: Magazin, Seite 74
von Jürgen Otten

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