Bekenntniswerke
Klaus-Peter Kehr war der Erste. Der Mannheimer Opernintendant hatte die emotionale Tiefe, den glühenden Klang, das brillante Theaterhandwerk Mieczyslaw Weinbergs schon erkannt, als der polnisch-russische Komponist im westlichen Musikbetrieb noch ein unbeschriebenes Blatt war. Und sich für sein Haus gleich dessen opus summum, die 1986 abgeschlossene, aber in ihrer originalen Gestalt nie aufgeführte Dostojewski-Oper «Der Idiot» vorgenommen.
Ein überwältigendes Werk, ein Bilanz- und Bekenntniswerk, aus dem das verzweifelte Hoffen eines Künstlers hallt, der – als jüdischer Flüchtling vor der NS-Mordmaschine und als Beinahe-Opfer der stalinistischen «Säuberungen» – die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts am eigenen Leib erfuhr. Aber Kehr ließ sich Zeit. Weil er spürte, welche Herausforderung da auf das Nationaltheater zukam. Und weil er wusste, dass nur ein Dirigent, der mit russischer Musik, zumal den Entwicklungen seit 1918, intim vertraut ist, diese hoch expressive, bald in weiten Bögen erzählende, bald in kurzen (Sprach-)Gesten stammelnde Partitur zum Leben erwecken könnte.
Die Wahl fiel auf Thomas Sanderling, den ältesten, 1942 im sowjetischen Exil geborenen Sohn Kurt Sanderlings. Der ...
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Opernwelt März 2016
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Albrecht Thiemann
Die Ponys hören zu. Erst eines. Ein Ganzton, dann ein Halbton aufwärts, lange und leise gehalten. Dann kommen fünf weitere dazu, schmiegen sich unter die Gesangsphrase ihres Herrn. Jedes hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigene triolische Bewegung, seine eigene chromatische Linie. Alle sind genau in der Partitur notiert, im Bassschlüssel. Sechs Ponys, das sind...
Frau Schmidt-Futterer, Ihre Zunft kommt auf dem Besetzungszettel meist an vorletzter Stelle. Einige Regisseure sehen das Kostüm als notwendiges Übel, viele scheinen sich regelrecht davor zu fürchten. Oder täuscht der Eindruck?
Nein, diese Angst beobachtet man tatsächlich oft. Entwickelt hat sie sich, als einzelne Kostümbildner den Kittel und die...
Grau verhangen, öde ist diese Landschaft. Seile hängen ins Bild. Verkohlte Sparren, bröckelnde Grabsteine, bandagierte Leichen, Betonbunker. Wie ein schwarzer Faden zieht sich dieses Ambiente durch Daniele Abbados «Attila»-Inszenierung, die als Koproduktion mit Venedigs La Fenice und dem Teatro Massimo in Palermo entstand. Bekanntlich geht es in Verdis neunter Oper...