Bedingungslos werktreu
Wenn er in der ersten Probe ans Pult tritt, ist das Gros der Arbeit schon getan. Viel, ja: zu viel gilt es schließlich zu berichtigen, korrigieren, auszumerzen. Ohnehin hat Hartmut Haenchen gern eigenes Material dabei, was Musikerinnen und Musikern regelmäßig die Augen übergehen lässt. Fast in jedem Takt, fast auf jeder Note findet sich da ein für sie neues Vortragszeichen – so die Note überhaupt als korrekt befunden wurde. Deshalb passt die Berufsbezeichnung «Dirigent» nur bedingt zu Haenchen.
Er ist noch Quellenforscher, Musikhistoriker, Dozent in eigener Sache und kann dabei, auch davon wissen die Orchester lange Lieder zu singen, durchaus penetrant werden.
Dabei ist der Dresdner nur vom Selbstverständlichsten der Welt überzeugt: In der Interpretation manifestiert sich nicht der subjektive Wille des Dirigenten. Sie muss fußen auf stilistischem und historischem Bewusstsein, vor allem auf dem richtigen Notentext. Insofern ist für Haenchen jede Tradition zu hinterfragen – weil sie oft auf Moden basiert, falsch verstanden wird und sich gern erschöpft im «Das haben wir schon immer so gemacht». Wer so denkt und agiert, eckt an. Und manchmal wird dabei die Schwelle zum Politischen ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt März 2023
Rubrik: Magazin, Seite 66
von Markus Thiel
Holger Falk vermeidet die Hauptstraßen des Liedgesangs. Lieber schlägt er sich ins Unterholz der Moderne, wo er Vergessene und Übersehene entdeckt wie Josef Matthias Hauer oder Hanns Eisler. Vor allem aber ist er ein Partisan, ein Botschafter der mélodie, des französischen Lieds, das hierzulande noch immer ein Außenseiterdasein führt. Was nur wenigen Ausländern...
In unserer übermäßig zartfühlenden, empörungsbereiten, mancher würde sagen: hypermoralistischen Gegenwart, in Zeiten von #MeToo und übertriebener Political Correctness hätte er keinen leichten Stand. Wäre Don Giovanni eine real existierende Person, mit strafrechtlicher Verantwortlichkeit – gut wäre es um ihn nicht bestellt. Nun handelt es sich bei Mozarts und Da...
Als 1992 die «Entdeckung» Amerikas durch Columbus 1492 zelebriert wurde, kam Spaniens König Juan Carlos nicht umhin, diese Großtat vollmundig zu preisen: Erst die «hispanidad» habe der «Neuen Welt» mit der spanischen Sprache, dem Katholizismus und der eurozentrischen Kultur, der barocken Architektur wahre Würde verliehen. Doch in Lateinamerika hielt sich die...