Bayreuther Meilensteine
Zum Wesen des Skandals gehört eine Halbwertzeit, die gegen null tendiert. Je größer die Aufregung, je lauter das Gebrüll, desto schneller ist die Querele verflogen. Oft kann man sich schon wenige Tage nach den Tumulten nicht mal mehr genau an den Casus Belli erinnern. Plötzlich gilt die soeben noch heftig befehdete Sache als hip, man jubiliert, gibt sich mit dem Zeitgeist auf Du und will von Schmäh nichts mehr wissen. So war es immer. Bayreuth bildet da keine Ausnahme.
Der prominenteste Nachkriegsskandalfall: Götz Friedrichs «Tannhäuser»-Inszenierung von 1972.
Besonders die Chorbilder, etwa die «lederbemantelten» Mannen Hermanns im ersten Akt, hatten Alt-Wagnerianer und konservative Politiker in Wallung versetzt. Man drohte gar mit Subventionsstopp. «Offenbar» hatten die Anhänger des Landgrafen «Assoziationen an Gestapo- und Sicherheitsdienst-Leute» hervorgerufen, mutmaßt Wolfgang Wagner in seinen 1994 veröffentlichten Memoiren («Lebens-Akte»). Als die Choristen zum Schluss-Tableau auch noch in proloverdächtigen Kutten antraten, schrien die Traditionalisten erst recht zetermordio. Ein Ost-Berliner Regisseur, so das Verdikt der Gralshüter, schicke eine rote Arbeiterkampfgruppe vor, ...
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Als Schüler hatte ich das englische Magazin «Opera» abonniert, in dem den Premieren und Wiederaufnahmen des Royal Opera House naturgemäß breiter Raum gegeben wurde. Viele der Aufführungen, die ich dort beschrieben fand und die ich nur zu gern miterlebt hätte, finde ich nun zumindest als Tonkonserve in einer neuen Reihe «Heritage Series» wieder, die von der Oper...
Auch wenn Mussorgsky seine «Chowanschtschina» weder instrumentieren noch beenden konnte (das Finale des 2. Bildes und der Schlusschor fehlen): Ein zusammenhangloser Bilderbogen aus Versatzstücken russischer Geschichte, wie oft behauptet, ist diese dicht gefügte, aber mit Shakespeare’scher Personenvielfalt gesegnete Tragödie über den Putsch und Fall der Fürsten...
Kennt man nicht, will man nicht
Von Glanz und Elend des Operettenbetriebs
Die Operette lebt, weil sie unsterblich ist. Oder?» Das sagte einmal ein nicht ganz unwichtiger Komponist der «Heiteren Muse», Robert Stolz. Und gab damit die Antwort auf einen Wiener Miesepeter namens Hans Weigel, der in den sechziger Jahren glaubte, das Ende der Operette konstatieren zu...