Bärenstark
Andreas Homoki als einer, der aufräumt mit hergebrachten Deutungsmethoden zu Richard Wagners «Ring des Nibelungen»? Der Gedanke greift hoch, vielleicht zu hoch, abwegig ist er nicht. Je weiter der neue Zürcher «Ring» gedeiht, desto deutlicher wird, wie gut Homokis Konzept aufgeht – die Maxime nämlich, nicht eine weitere Auslegung der Tetralogie auf die Bühne zu bringen, sondern das Ausgedeutete selbst: die Geschichte, die Wagner ersonnen, gedichtet und in Musik gesetzt hat. Und das wörtlich.
So eilt denn ein drolliger Bär über die Bretter, bläht der Drache seine Nüstern, doch ist das bloß die Schauseite. Den Kern des Unternehmens bildet die fantasievolle Genauigkeit, mit der Homoki die Figuren in den Blick nimmt und aus ihnen lebendiges Theater erwachsen lässt.
Düster das Vorspiel zum ersten Aufzug und eindrucksvoll die Farbenspiele, mit denen die Philharmonia Zürich unter der Leitung von Gianandrea Noseda aufwartet. Die von Christian Schmidt entworfene Ausstattung führt weiter, was in «Rheingold» und «Walküre» angelegt wurde. Die gründerzeitlichen Räume auf der Drehbühne wirken etwas enger als in den vorangehenden Teilen – oder erscheinen sie nur so, weil sich das Mobiliar, ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Panorama, Seite 51
von Peter Hagemann
Der Staatsoper Berlin kann man regieseitig in Sachen Mozart für das vergangene Jahrzehnt nicht gerade ein brillantes Zeugnis ausstellen. Angefangen von einer der schwächsten Arbeiten des späten Hans Neuenfels («La finta giardiniera», 2012) – damals noch in der Ausweichspielstätte Schiller-Theater – zog sich das optische, bewegungsmäßige und konzeptuelle Unglück...
Brav haben wir es im («damals» noch real existierenden) Musikunterricht beziehungsweise danach während des Musikstudiums, auch in dieser der Aufführungshäufigkeitswirklichkeit abgeschauten Opernrealität gelernt: Die «Big Five» der italienischen Operngeschichte heißen Verdi, Puccini, Rossini, Bellini und (mit Bellini vielleicht auf einer quantitativen Ebene) jener...
Am Beginn von Gordon Kampes neuer Oper lässt das Theater Bertolt Brechts grüßen. Über die leere Bühne schlendern die Dramatis personae herbei und bauen sich Kaugummi kauend vor dem Publikum auf: Latzhose und kariertes Hemd, Anzug oder blassrosa Kostüm, Basecap, Farmerhut. Mehr Midwest-Normalität geht nicht, und man fragt sich, ob es in diesem gottverlassenen Ort...