Ambivalenzen
1956: einer der größten Skandale, die Bayreuth erlebt hat. Wieland Wagner inszenierte die «Meistersinger» ohne Nürnberg. Keine Butzenscheiben, kein Lokalkolorit, keine betulichen Bieder-Bürger, wie sie noch 1951 nach der Wiedereröffnung auf dem Grünen Hügel zu sehen waren. Der zweite Akt – nur eine sich nach hinten windende Pflasterstraße und eine große Fliederkugel im Vordergrund, das alles in bläulich-violettes Licht getaucht – gehört zweifellos zu Wielands stärksten Eingebungen überhaupt.
Nach erbitterten Protesten knickte der Enkel ein, verpasste dem zweiten Akt nun doch eine Häuserzeile. Die Festwiese, die er ursprünglich als weißen Hörsaal konzipiert hatte, wurde nun feierlich schwarz. Das alles ist nicht nur Theatergeschichte. Nikolaus Lehnhoff (in Zürich), Katharina Wagner (in Bayreuth) und Tobias Kratzer (in Karlsruhe) haben sich auf verschiedene Aspekte von Wielands «Meistersingern» bezogen. Einen Film gibt es natürlich nicht. Nur Bilder – und den Ton der Radioübertragungen.
1956 dirigierte André Cluytens (auf dem Graumarkt existieren Aufnahmen). Vier Jahre später saß Hans Knappertsbusch unter dem Orchesterdeckel. Das Label Orfeo legt nun einen Mitschnitt vor – wie immer ...
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Opernwelt Dezember 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 22
von Stephan Mösch
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