Welt-Dichtung

Archaik und Moderne: Anmerkungen zum ŒuvreCarl Orffs anlässlich seines 125. Geburtstags

Man ist versucht, Orff und sein Musiktheater für eine rein deutsche Angelegenheit zu halten, gäbe es da nicht den Welterfolg der «Carmina Burana». Im Unterschied zu anderen populären Werken der Moderne begegnet man diesem Chorwerk nicht nur im Konzertsaal, sondern auf Freilichtbühnen, Marktplätzen, Sportstadien – und das rund um den Globus. Mit ihrem vitalistischen Kollektivismus besitzen diese Gesänge auf lateinische Texte des Hochmittelalters wie kein zweites Werk der E-Musik Popstatus. Für und gegen dieses Stück ist alles gesagt und geschrieben.

Für die einen ist es Kult, für die andern neo-neandertalerhafter Primitivismus, wenn nicht gar – wie Pier Paolo Pasolini einmal bemerkte – «typisch faschistische Musik». Hört man die «Carmina Burana» nach langer Abstinenz wieder, so verfällt man selbst als hartnäckiger Skeptiker dem süffigen Sog ihrer simplen Diatonik wie der kalkulierten Naivität ihrer ostinaten Patterns. Und fragt sich, warum Orff dennoch inzwischen so gründlich vergessen ist, wie ein Komponist nur vergessen sein kann. Kein einziges deutsches Theater hatte sich seiner aus Anlass seines 125. Geburtstags am 10. Juli dieses Jahres erinnert. Die Homepage des Münchener ...

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Opernwelt Juli 2020
Rubrik: Magazin, Seite 58
von Uwe Schweikert

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