Gott lebt

Johannes Harneits neues Stück verarbeitet an der Opera stabile in Hamburg gekonnt den Faust-Stoff «Ichundich» von Else Lasker-Schüler

Wenn eine Welt, in der Adolf Hitler geradewegs mit Gott identisch ist, auf der Opernbühne reflektiert wird, dann muss sich «Wotan» gar unheilig imperfekt und respektlos auf «Truthahn» reimen. Dann erheben sich rechte Arme nicht nur einfach so immer wieder zum deutschen Gruß stramm himmelwärts.

Derlei Gesten aus dunkeldeutscher Zeit werden vom Orchester allzu gern mit dem Allerheiligsten der deutschen Tonkunst garniert, Goethes «Über allen Gipfeln ist Ruh», von Schubert zum ewig schönen Kunstlied veredelt, hier nun von Johannes Harneit listig-lustig durch den Kakao der Verfremdung gezogen und dabei dennoch nicht plump desavouiert.

War der deutsche Diktator bislang mit wenigen Ausnahmen (wie Alexander Raskatovs Heiner Müller-Anverwandlung «Germania» in Lyon) ein Unding in Operndingen, wird er nun auf der Probebühne der Hamburgischen Staatsoper nach allen Regeln der Kunst bühnentauglich gemacht. Ironie, Brechung, Distanzierung heißen die zwingenden Theatermittel, damit ein solches Unterfangen nicht schon im Ansatz scheitert, indem es unversehens zur emotionalen Identifizierung mit dem Scheusal einlädt. Dazu bedarf es eines Textes, der Ebenen und Epochen so geschickt genialisch und ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Januar 2020
Rubrik: Magazin, Seite 66
von Peter Krause

Weitere Beiträge
Auf den Punkt

Hans Falladas 1937 veröffentlichter Roman «Wolf unter Wölfen» spielt im Inflationsjahr 1923. Ein Buch der Unruhe, das in vielen Strängen vom Chaos jener Zeit erzählt. John von Düffel hat den Stoff zu einem Libretto verdichtet, Søren Nils Eichberg im Auftrag des Koblenzer Theaters die Musik dazu geschrieben. Vor zwei Jahren wurde am gleichen Ort Eichbergs...

Premieren Januar 2020

Diese Übersicht bietet eine Auswahl der angekündigten Musiktheater- und Opernpremieren des Monats Januar 2020. Informationen zu Wiederaufnahmen und Repertoirevorstellungen finden Sie auf den Websites der Häuser. Eine Liste mit Kontaktdaten gibt es online unter diesem Link:
www.der-theaterverlag.de/serviceseiten/theaterlinks/

ML = Musikalische Leitung
I =...

Apropos... Beethovens Geliebte

Herr Reinvere, wie sind Sie eigentlich auf das Thema «Beethovens Tochter» gestoßen?
Auslöser meines Interesses war sein berühmter Brief an die «Unsterbliche Geliebte» aus dem Jahr 1812. Wenn man sich fragt, welche Frau die Adressatin dieses Briefes gewesen sein könnte, begegnet man sehr schnell Josephine Brunsvik, jener aus einem ungarischen Adelsgeschlecht...