Poesie und Schrecken

Wagner: Siegfried
Kassel | Staatstheater

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Alte Liebe rostet nicht. Aber sie vergeht, irgendwann. Das muss auch Wotan, der Wanderer, erkennen, als er, nietzscheanisch beflügelt, Erda aufsucht, die verblühte Schönheit. Reglos, ermattet liegt sie auf jenem breiten Bett, das dereinst beider Leidenschaften diente. Aber auch der Gott ist müde geworden, nicht länger vermag er zu glauben, alle Lust wolle Ewigkeit. Wie Ödipus auf Kolonos betritt der vokal virile Egils Silins das Schlafzimmer, eine schwarze Sonnenbrille im Gesicht, die Haare lang, strähnig und so silbergrau wie Erdas Mähne (Edna Prochnik).

Ein letztes Mal bäumt sich die Urmutter auf, doch vergebens. Liebe, verblasst zur schalen Erinnerung.

Darum, um das, was wir erinnern, geht es sehr viel in Markus Dietz’ «Siegfried»-Inszenierung am Staatstheater Kassel, die den eingeschlagenen «Ring»-Weg konsequent, plausibel und (zu-)packend fortsetzt. Während des Vorspiels, das GMD Francesco Angelico extrem behäbig dirigiert (als wolle er zum Ausdruck bringen, dass die Welt still steht), zeigt ein Film von David Worm die durch Wiesen und Felder irrende schwangere Sieglinde, ätherisch schön in ihrem weißen Negligé, um dann die Szenen der Geburt mit aller Drastik aufzupumpen. ...

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Opernwelt November 2019
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Jürgen Otten

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