Schalk im Herzen
Zunächst schien das Premierenpublikum des Teatro Real ratlos angesichts dieses artifiziellen Konversationsstücks aus dem Kriegsjahr 1942, in dem es nicht etwa um Leben und Tod, sondern um den altbekannten, in elegant-wortreiches Liebesgeflüster gehüllten Streit geht, ob in den Künsten nun der Poesie oder der Musik Vorrang einzuräumen sei. Argwohn stand schon beim Anblick der karg möblierten Bühne (Raimund Orfeo Voigt) auf den Gesichtern: weißgraue Stühle aus einem fernen Rokoko, eine graue, weit geschwungene Wand mit falschem Kamin, darüber ein halbblinder Spiegel im Goldrahmen.
Gedämpftes Licht, Damen und Herren in heutiger Alltagskleidung, wiederum in schwarz, grau oder weiß. Dazu viel Parlando in deutscher Sprache. Unmöglich, für so etwas Interesse in Madrid zu wecken, sollte man meinen. Doch nach und nach lassen sich die Zuschauer hineinziehen in das Werben der beiden Künstler um die Gräfin. Lauschen aufmerksam den Ergüssen des Dichters Olivier und des Komponisten Flamand, hängen der schönen Madeleine an den Lippen. Und verfolgen gebannt, wie die Umworbene, ihr Bruder und ihre Gäste einen Kompromiss vorschlagen: Eine Oper soll entstehen, zu der die Kontrahenten, und zwar unter ...
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Opernwelt Juli 2019
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Thomas Urban
Eine Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang. Der Schauplatz: die Bretagne im Mittelalter, ein stereotypisches Nordland mit Seen, Schlössern, Kirchen und Hirschjagden, nebelverhangen. Die Handlung: gespickt mit Eifersuchtsdramen, einem Duell, einem Hexenprozess und vermeintlichen Todesfällen. Der krause Plot und das Schauerambiente inspirierten Bellini zu einer...
Die Szene ist Legende. Weil sie so mysteriös ist, buchstäblich von Schlummerwolken umkränzt. «Götterdämmerung», zweiter Aufzug, erste Szene. Ein Mann sitzt, schwer bewaffnet, am Flussufer vor der Gibichungenhalle und schläft. Aber er schläft mit offenen Augen. Träumt er, dämmert er vor sich hin? Oder macht er nur ein kleines Brecht’sches Nickerchen, in dessen...
Der See, über dem die Amme zu Beginn der «Frau ohne Schatten» ein geisterhaftes Licht wahrnimmt, lässt in Vincent Huguets Wiener Neuinszenierung an jenes bleiche unterirdische Gewässer denken, an dem – glaubt man Gaston Leroux – ein gespenstischer Maskenmann hauste und seinem dämonischen Orgelspiel frönte. Dieser «See» existiert tatsächlich, ein Grundwasserbecken...