Das Heute im Gestern
Ohne Umschweife steht die von Jetske Mijnssen realisierte Zürcher Inszenierung von «Hippolyte et Aricie» dazu, dass es sich bei der Oper Jean-Philippe Rameaus um einen Stoff handelt, der inhaltlich wie formal aus weit entlegener Vergangenheit stammt. Für sein Textbuch hat sich der Librettist Simon-Joseph Pellegrin auf eine Tragödie von Jean Racine gestützt, der seinerseits Vorlagen von Euripides und Seneca beigezogen hat.
Eine dem antiken Mythos entstammende Götter- und Menschengeschichte wird hier verhandelt – präzis nimmt das die klassizistische Säulenhalle auf, die Ben Baur auf die Drehbühne des Opernhauses Zürich gestellt hat. In ihrer formvollendeten Strenge deutet sie auch an, was das Musiktheater Rameaus ausmacht. Anders als sein großer Vorgänger Jean-Baptiste Lully ging Rameau vom Text als dem Zentrum seines Bühnenschaffens aus. Das Wort bot dem Komponisten nicht Anlass für Musik, es bildete vielmehr ihren Kern; durch die Vertonung sollte es zu einer Prägnanz eigener Art finden.
Als Dienerin am Wort gibt sich Rameaus Musik geradezu spartanisch. Sie lebt eher vom rezitativischen Gesang und vom generalbassbegleiteten Streicherklang als von der brillanten Arie und der großen ...
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Opernwelt Juli 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Peter Hagmann
Am Ende zieht Roger seine Lackschuhe aus und begrüßt an der Rampe emphatisch die aufgehende Sonne. Aber er bleibt nicht, wie im Libretto vorgesehen, mit seinem arabischen Ratgeber Edrisi allein. Zwar ist die den Verlockungen des göttlichen Hirten erliegende Menge abgezogen, doch seine Frau Roxana, der Erzbischof, die Diakonissin und ein kleiner Junge bleiben...
Der eine hatte die Stars, der andere das Können. Arg verkürzt ist das formuliert, birgt aber zwei, drei Körnchen Wahrheit. Nachdem Nicola Antonio Porpora das London der 1730er-Jahre betreten hatte, sorgte er für einen Spielertransfer und einen Aderlass. Senesino und Farinelli spektakelten fortan in seiner Truppe, Konkurrent Georg Friedrich Händel hatte das...
Nebel lastet auf Cornwall, tiefe Trübsal, auswegloser Schmerz. Schwer atmet die Musik, beinahe so, als wäre sie zu Eis erstarrt, als gäbe es kein Morgen mehr. Doch kein Orchester spiegelt, in den uns bekannten, chromatischen Seufzern, diese Tristesse, sondern ein Klavier. Und deswegen ist es eben auch nicht jener irische Küstenort, an dem, tödlich verwundet,...