Liebster, wo bist du? Nicole Car (Mimi); Foto: Theater/Catherine Ashmore
Feingezeichnet
Mimì und Musetta in Schnürstiefeln der Belle Epoque, die Hungerkünstler in einer Mansarde à la Paris um 1830 – das war ein echter Langzeitrenner an Covent Garden: 41 Jahre lief John Copleys deutungsfrei plüschige «Bohème»-Inszenierung im Royal Opera House zu London; auf 25 Revivals hatte die Produktion es gebracht, als sie 2015 ausgemustert wurde. Für die letzte, vom 82-jährigen Originalregisseur noch einmal persönlich beaufsichtigte Aufführungsserie gaben sich Anna Netrebko und Joseph Calleja die Ehre.
Heute ist nur noch dank einer auf Grund des Hausdebüts von Andris Nelsons im Dezember 2009 entstandenen Aufzeichnung zu besichtigen (Opus Arte), was so lange die Kassen klingeln ließ.
Wie eine versteckte Reverenz nimmt sich die neue «Bohème» aus, die Richard Jones nun mit dem Ausstatter Stewart Laing auf die ROH-Bühne brachte. Als ob er den radikalen Bruch mit jenem musealen Naturalismus, mit jener pittoresken Sozialromantik scheue, für die nicht wenige Puccini-Fans eine Schwäche haben. Vor den Kopf stoßen die stilisierte Dachkammer mit Kanonenofen, die ordentlich geschneiderten Outfits, das zum Edelrestaurant gewandelte Café Momus und der leise rieselnde Schnee jedenfalls ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Nervös ist er immer noch, auch nach 20 Jahren. «Fast so, als ob ich selbst singen oder spielen müsste», sagt Arno Declair. Er steht in Reihe zwei oder drei, verfolgt die Probe durch den Sucher seiner Kamera. Mindestens 500-mal pro Abend drückt er auf den Auslöser – in der Hoffnung, dass am Ende so viele gute darunter sind, dass es für ein Programmheft reicht. «Ich...
Aus Gérard Corbiaus Film «Farinelli» ist jene Szene in Erinnerung geblieben, in der der Kastraten-Superstar mit seinem komponierenden Bruder Riccardo Broschi wegen dessen allzu schematischer Arien-Produktion hadert. Er setzt sich ans Cembalo, um die melodisch, rhythmisch und harmonisch allzu formelhaften Vehikel zur Demonstration bloßer vokaler Virtuosität samt...
Der Mörder fährt Dreirad. Wie ein Teufel kurvt Sparafucile mitten durch die ausgelassene Karnevalsgesellschaft, die sich auf den Stufen eines Treppenrondells vergnügt, in krachend komischen Kostümen (Jorge Jara) und mit FSK-verdächtigen Videos aus Amors Reich (Sebastian Eskildsen). Grand Guignol. Alles außer Rand, Band – und Verstand. Mittendrin der Narr,...