Selfie-Stick und Glitzerkanone

Wenn in «Aida» Sklavenkinder lustig hopsen und «La traviata» in aller Pracht vergeht, versammeln sich Tausende in Italiens antiken Freiluftkulissen: Schlaglichter aus Verona und den römischen Caracalla Thermen

Ein Sommerabend in Rom. Sonnenstrahlen scheinen auf antike Ruinen, Überziehen die Terrakottatöne mit Bronzeglanz. Alles duftet noch nach der Hitze des Tages, die jetzt heftig aus den Steinen emporsteigt, einen Augenblick über der Erde verweilt, massig und schwer, bevor der Wind sie in den Himmel trägt. In den Pinien und Zypressen singen die Zikaden, über ihnen leuchtet der zunehmende Mond.

Ich sitze auf einem Plastikstuhl. Um mich herum ein Gerüst aus Stahlstangen und Pressplatten, das Zuschauerpodest einer der berühmtesten Freilichtbühnen Italiens: der Caracalla-Thermen.

Im alten Rom standen hier prunkvolle Badepaläste – sie sind lange verfallen, die Marmorvertäfelungen, Säulen und Statuen schmücken andere Gebäude. Schon über 80 Jahre nutzt die Oper Rom das Gelände als Sommerspielstätte. Am Abend gibt es Verdis «Aida». Keine Oper wurde hier so oft gespielt wie diese, der Schriftsteller Giorgio Vigolo schlug gar vor, die Bühne in «Aideo» umzutaufen. Und die Inszenierungen sollen Spektakel sein! Hollywoodreif, mit unzähligen Tänzern und Statisten, prächtigen Kostümen, einer Kulisse ägyptischer als das alte Ägypten.

Im Publikum sind alle schon ganz aufgeregt. Eine Dame hat sich ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt September/Oktober 2019
Rubrik: Magazin, Seite 96
von Ida Hermes

Weitere Beiträge
Diskografisches Juwel

Der Bach-Biograf Philipp Spitta verglich Spontinis «Olimpie» mit Wagners «Ring». Und das erscheint als nicht zu hoch gegriffen, denn der Komponist treibt in diesem so monströsen wie düsteren Werk, seiner letzten französischen Tragédie-lyrique, den Monumentalstil des Klassizismus zu einer dramatischen Ausdrucksintensität, die weit in die Zukunft weist – die...

TV-Klassiktipps September/Oktober 2019

arte

01.09. – 17.35 Uhr
Konzert am Mailänder Domplatz 2019

Werke von Dvořák und Rota
ML: Chailly

07.09. – 19.30 Uhr
Das Wunder von Nairobi

Inmitten des gefährlichsten Slums von Nairobi wurde vor zehn Jahren ein klassisches Jugendorchester gegründet. Bis dahin hatte kaum jemand in Korogocho eine Geige oder ein Cello gesehen. Heute erklingen nahe der Mülldeponie Sonaten...

Familiendrama

Auch in Rheinsberg wirbt man wieder mit dem Hinweis, bei diesem Stück handele es sich um Napoleons Lieblingsoper. Das Prädikat ergäbe indes nur Sinn, wenn dem Mann ein gewisses Musikverständnis zugebilligt werden könnte. Doch damit war es nicht weit her – mögen seine Biografen auch Gegenteiliges behaupten. Napoleon pfiff manchmal ein Liedchen, traf aber dabei...