Mann, o Mann!

Moshe Leiser und Patrice Courier liefern bei den Salzburger Pfingstfestspielen mit «L’italiana in Algeri» eine hintergründige Macho-Studie ab, Jean-Christophe Spinosi bürstet Rossinis Partitur gegen den Strich, das Zentralgestirn aber, um das alles kreist, ist Cecilia Bartoli in der Titelpartie

Schwarz oder Weiß, mehr Auswege bietet der Belcanto nicht. Für die Bühnendamen, geknechtet vom Patriarchat, bietet er dennoch Unschätzbares: Vokalfutter, das den Kerlen nicht ansatzweise vergönnt ist, ob Wahnsinn (Donizetti/Bellini) oder Widerstand (Rossini). Wobei sich im letzteren Fall alle Träger des Y-Chromosoms hüten sollten. Jedes Gelächter fällt schließlich auf sie selbst zurück. Erst recht, wenn es so weit, bunt und schräg getrieben wird wie hier. Das beginnt mit dem Ruf des Muezzin vor der Ouvertüre, an dem sich kein Mensch in diesem Algier von heute stört.

Man ereifert sich – Fenster auf, Oberkörper herausgebeugt – einige Nummern später über ganz anderes: übers zarte Liebeslied Lindoros. Männer und Empfindsamkeit? Geht gar nicht.

Und so wird alles in dieser Premiere der Salzburger Pfingstfestspiele umgedreht – erwartungsgemäß. Die künstlerische Chefin Cecilia Bartoli selbst übernimmt die Titelrolle, als Zentralgestirn, um das alles in dieser «L’italiana in Algeri» kreist. Zugleich ist Isabella auch eine beherzte Therapeutin mit Katalysatorfunktion, dank derer die Chauvis einiges über sich erfahren. Denn siehe: Alle sind sie gleich, ob im Falle der Azzurri-Mannschaft, ...

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Opernwelt Juli 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Markus Thiel

Vergriffen
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