Brandschutz neu denken

Seit Anfang der 2000er-Jahre bis heute kommt es an Theatern und Opernhäusern zu Fehlauslösungen von Löschanlagen im Bühnenbereich. Die Behebung der teilweise erheblichen Wasserschäden ist kosten- und zeitintensiv. Die Autoren erläutern die Zusammenhänge und bieten Vorschläge zur Verhinderung der ungewollten Auslösungen

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Gemäß Musterbauordnung § 14 sind bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Alle Vorkehrungen zur Abwendung von Brandgefahren werden mit dem Begriff „Vorbeugender Brandschutz“ bezeichnet. Dazu gehören der bauliche Brandschutz, der anlagentechnische Brandschutz und der organisatorische Brandschutz.

Der Einfluss des baulichen Brandschutzes umfasst die Baustoffe und Bauteile sowie die Gestaltung der Gebäudegeometrie, z. B. die Anordnung und Bemessung der Flucht- und Rettungswege. Das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen wird in den Normen der DIN-4102-Reihe und der europäischen Normenreihe EN 13501 definiert und weist sie verschiedenen Baustoffklassen zu. Im Brandfall soll die Brandausbreitung aufgrund der Brandabschnittsbildung verhindert werden. Wände und Decken aus klassifizierten Baustoffen bilden einen Brandabschnitt, den das Feuer nicht verlassen kann, soweit die Begrenzungen und die notwendigen Öffnungen (Türen/ Durchdringungen) einen ausreichenden Feuerwiderstand aufweisen. Um zu akzeptablen Lösungen zu kommen, werden größere Abstände gestattet, wenn die Nutzung es erfordert und wegen des Brandschutzes keine Bedenken bestehen. Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes bestehen dann nicht, wenn das Schutzziel anderweitig nachgewiesen werden kann, wie durch die Anordnung von Brandmelde- und Alarmierungsanlagen, Löschanlagen und Anlagen zur Rauchableitung.

Gemäß Grundsatzpapier der Fachkommission Bauaufsicht „Rettung von Personen“ und „wirksame Löscharbeiten“ aus dem Jahr 2008 wird der Personenschutz im Brandfall durch eine schnelle Räumung realisiert. Grundlagen der bauordnungsrechtlichen Anforderungen zur eigenständigen Personenrettung sind: die innere Abschottung von Gebäuden; die Führung, Bemessung und bauliche Ausbildung von Rettungswegen; betrieblich/organisatorische Maßnahmen und anlagentechnische Maßnahmen einschließlich der Alarmierung. Eine Rauchableitung ist nur zur Unterstützung der Brandbekämpfung durch die Feuerwehr, nicht zur Sicherstellung der Nutzbarkeit von Rettungswegen vorgesehen.

Verwendete Löschsysteme
Bei Bränden der Brandklasse A, wie sie bei einem Theaterbrand zu erwarten sind, ist Wasser das wichtigste Löschmittel. Abhängig von der Höhe des Raums erreichen größere Tropfen den Brandherd, während kleinere Tropfen schon nach kurzer Wegstrecke aufgrund ihrer geringen Masse entweder durch die Rauchgasgegenströmung mitgerissen werden oder verdampfen. Bei der Auswahl des Löschsystems ist die Raumhöhe deshalb ein wichtiges Kriterium. Es werden grundsätzlich folgende Systeme unterschieden:

Sprinkleranlagen 
Das allgemein bekannteste Löschsystem sind Sprinkleranlagen. Sie bestehen (neben der Anlagentechnik wie Pumpen, Ventilstation etc.) aus einem wassergefüllten Rohrsystem, bei dem jede Düse mit einem Thermoelement (Glasfässchen oder Schmelzlot) verschlossen ist, das bei Überschreitung einer festgelegten Auslösetemperatur (z. B. 68 °C) zerbricht. Sprinkleranlagen erkennen den Brand damit selbstständig und lösen nur dort aus, wo eine ausreichend hohe Temperatur erreicht wird. Dies ist bei Bränden mit geringer Wärmeentwicklung nicht immer gesichert. Es sind eine Fülle von Varianten hinsichtlich der Sprüh-Charakteristik/ Ausführung (nass, trocken, vorgesteuert etc.) am Markt verfügbar. Sprinkleranlagen sind, abhängig von der Brandgefahrenklasse, für Raumhöhen bis ca. 12 bzw. 15 m geeignet. Sie sind in der Regel nicht im Bühnenhaus verbaut, sondern finden Anwendung in Magazinen, im Fundus und in Einzelfällen auf Seitenbühnen.

Sprühwasserlöschanlagen 
Für Großbühnen ist nach Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) eine automatische Sprühwasserlöschanlage vorgeschrieben, die auch den Schutzvorhang beaufschlagt. Es handelt sich dabei um eine ortsfeste Löscheinrichtung, deren Rohrnetz im oberen Teil des Bühnenhauses mit offenen Düsen flächig verlegt ist. Die Düsen werden im Gegensatz zu einer Sprinkleranlage nicht einzeln, sondern in Löschgruppen betrieben. Die Ansteuerung der Sprühwasser-Löschanlage erfolgt im Brandfall durch selbsttätige oder manuelle Auslösung. Gemäß § 36 MVStättVO kann die Automatik der Sprühwasserlöschanlage während der Dauer der Anwesenheit der Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik abgeschaltet werden. In der alten VStättVO vor den 2000er-Jahren war eine Regenanlage enthalten, ohne Automatik. Das Prinzip der Regenanlage stammt aus der Zeit der Entwicklung der drei Sicherheitskomponenten Schutzvorhang/Rauchhaube/Regenanlage als Folge des Ringtheaterbrands in Wien 1881. Bühnenhäuser mit Regenanlagen hatten ursprünglich ein Wasserbecken über dem Schnürboden. Im Gefahrenfall wurden die Ventile von der Brandsicherheitswache oder den technischen Fachkräften geöffnet. Die Regenanlage hatte ein trockenes Rohrsystem mit offenen Auslässen. Die Sprühwasserlöschanlage, die über Pumpen betrieben wird, funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Gemeinsames Merkmal einer Regenanlage und einer Sprühwasserlöschanlage ist, dass in kurzer Zeit eine große Wassermenge den Brand eindämmen bzw. löschen soll. Dazu löst die Sprühwasserlöschanlage in der gesamten Wirkfläche gleichzeitig aus. Die Wasserbeaufschlagung nach VDS-Richtlinie 2109 für Bühnen mit einer Höhe von mehr als 10 m beträgt 7,5 mm/min. Dies entspricht 7,5 l pro m2/min bei einer Betriebszeit der Anlage von 10 Minuten. Das System wird für Großbühnen und auch in der Industrie für hohe Räume mit hohen Brandlasten eingesetzt, bei denen von einer schnellen Brandentwicklung ausgegangen werden muss. Die Änderung von Handauslösung (Regenanlage) zur automatischen Auslösung (Sprühwasserlöschanlage) ist neben der technischen Entwicklung vermutlich auch eine Folge der Auswertung des Opernbrands in Frankfurt im November 1987. Damals war nachts durch Brandstiftung die Opernbühne in Brand gesetzt worden. Als die Feuerwehr das Haus erreichte, war das Feuer schon weit fortgeschritten. „Der Eiserne Vorhang ist rotglühend. Die ersten Stuhlreihen im Parkett sind aufgrund der ungeheuren Wärmestrahlung bereits schwer beschädigt“, war in einem Medienbericht zu lesen. Ein Personenschaden war nicht eingetreten.

Verhältnis von Fehlauslösungen zu Brandereignissen
Sehr selten ist nach unserer Kenntnis für die Fehlauslösungen ein Brandereignis die Ursache, zu deren Bekämpfung die automatische Löschanlage ja vorgesehen ist. In den letzten fast 40 Jahren sind uns lediglich fünf nennenswerte Brandereignisse bekannt:

• 1987: Brandstiftung, Oper Frankfurt am Main
• 1990: technischer Defekt, Maxim-GorkiTheater Magdeburg
• 1993: Scheinwerfer, während einer Vorstellung, Stadttheater Regensburg,
• 1994: Schweißarbeiten während Wartungsarbeiten, Gran Teatre del Liceu, Barcelona
• 1996: Bauarbeiten während Generalsanierung, Gran Teatro La Fenice, Venedig Dem stehen ca. 40 Fehlauslösungen gegenüber, bezogen auf den Zeitraum seit 2000 bis heute.

Ursachen für unbeabsichtigte Löschereignisse
Die Mehrzahl der Fehlauslösungen geht auf fehlerhafte Bedienung zurück, zeigen folgende Beispiele (aus „Die Vorstellung fällt ins Wasser“, IKZ-Magazin für Gebäude- und Energietechnik, 08/2018): Nach einer Bühnenprobe mit Rauch wurde die Löschanlage zu früh wieder auf Automatikbetrieb umgestellt, sodass noch vorhandener Rauch die Brandmeldeanlage und damit die Sprühwasserlöschanlage auslöste. Auch das Nicht-Abschalten der Brandmeldeanlage bei staubigen Bauarbeiten führt mit Sicherheit zu einem Fehlalarm. Auch bei scheinbar harmlosen Umbauten im laufenden Betrieb sollte die Wirksamkeit bzw. die Konzeption der Löschanlage danach genau geprüft werden. So löste die Pyrotechnik die Sprühwasserlöschanlage aus, bei der das Anregerrohrnetz gegen Rauchmelder getauscht worden war. Die Löschanlage hätte vorher auf manuellen Betrieb umgestellt werden müssen.

Vorfälle in Zukunft verhindern
Die Hersteller der Anlagen verweisen darauf, dass die Fehlauslösungen bei sorgfältiger Schulung des Personals, regelmäßiger Wartung und Modernisierung der Anlage verhindert werden können. Auch haben die Betreiber entsprechend geschultes Personal zu benennen und je nach Brandschutzkonzept für tägliche, wöchentliche und monatliche Kontrollen zu sorgen. Dem steht jedoch entgegen, dass auch Wartungstechniker, also Fachleute, Verursacher von Fehlauslösungen waren. Vollständig verhindert werden können die Fehlauslösungen nur bei einem völligen Verzicht auf die Sprühwasserlöschanlagen. Das ist jedoch nur für Neubauten oder Generalsanierungen mit einem entsprechenden Brandschutzkonzept denkbar.

Betriebssicherheit automatischer Löschanlagen und Alternativen
Sind die Anlagen grundsätzlich sicher gegen Fehlauslösung? NEIN. Kein anderes anlagentechnisches Brandschutzsystem (z. B. Brandmeldeanlage/Rauchabzüge/Sprachalarmierung) hat bei einem einzelnen Fehler solch unmittelbare Folgen wie die Fehlauslösung einer Sprühwasserlöschanlage. Die Schadensbeseitigung ist meist mit der temporären Stilllegung des Theaterbetriebs und erheblichen Kosten verbunden. Eine weitestgehende Minimierung des Risikos einer Fehlauslösung der Sprühwasserlöschanlagen kann durch den Verzicht auf deren automatische Auslösung erzielt werden. Ein Einschalten kann dann bei eventuellem Erfordernis nur noch durch eine bewusste Handlung vorgenommen werden. Die manuelle Auslösung der Sprühwasserlöschanlage, verbunden mit einer automatischen Brandmeldeanlage ohne Ansteuerung der Löschanlage, ist unserer Meinung nach nicht unsicherer als die automatische Auslösung. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlauslösung wird dadurch nicht völlig ausgeschlossen, ist jedoch erheblich minimiert.

Während der Betriebszeit sind die Brandsicherheitswache und die technischen Fachkräfte des Theaters vor Ort. Sie können im Gefahrenfall angemessene Maßnahmen treffen, z. B. Feuerlöscher, Wandhydranten und – falls erforderlich – auch die manuelle Löschanlage auslösen.
Außerhalb der Betriebszeit wird die Feuerwehr durch die Brandmeldeanlage alarmiert und ist innerhalb von 10 bis 12 Minuten vor Ort. Wesentlich ist eine sichere Brandfrüherkennung durch die Brandmeldeanlage. Eine solche Änderung der Betriebsart der vorhandenen Sprühwasserlöschanlagen verursacht keine oder nur unwesentliche Kosten und ist in allen bestehenden Theatern mit Sprühwasserlöschanlagen rasch umsetzbar.

Vorhandene Brandschutzsysteme optimieren
Der Einsatz von Wassernebel-Löschanlagen wäre eine Möglichkeit. Sie erzeugen kleine Wassertropfen mit einem Durchmesser kleiner als 1 mm. Durch die große Oberfläche wird die Wärmeabfuhr verbessert. Es gibt Systeme mit offenen Düsen ähnlich einer Sprühwasserlöschanlage oder als Wassernebel-Sprinkleranlage mit geschlossenen Düsen und Auslöseeinheit. Aufgrund des Betriebsdrucks wird in Nieder- und Hochdrucksysteme unterschieden. Herausragendes Merkmal gegenüber anderen Wasserlöschsystemen ist die deutlich geringere Wasserbeaufschlagung. Der Wasserschaden als Folge eines Löschvorgangs wird deutlich begrenzt. Hochdrucksysteme sind, abhängig von der Brandgefahrenklasse, bis zu einer Höhe von ca. 11 m einsetzbar. Wassernebel-Löschanlagen sind jedoch nur für kleinere Einheiten mit geringer Raumhöhe wie kleine Theater, Probenräume, Kostümfundus oder Lager geeignet.

Resümee
Die Abschaltung der automatischen Auslösung der Sprühwasserlöschanlage im Bühnenbereich außerhalb der Betriebszeiten bedarf der bauaufsichtlichen Zustimmung. Es gibt zwei Möglichkeiten: Die obere Bauaufsicht jedes Bundeslandes genehmigt, z. B. durch einen Runderlass, die Abschaltung der automatischen Auslösung bei Vorhandensein einer automatischen Brandmeldeanlage. Oder: Die Theater beauftragen einen Brandschutzsachverständigen mit der Vorlage eines Änderungsantrags zur vorhandenen Baugenehmigung bei der unteren Bauaufsicht. Grund: Das mögliche Risiko steht in keinem Verhältnis zum Nutzen der Anlage. In beiden Fällen wird sicherlich geprüft, ob der brandschutztechnische und bauliche Zustand des Gebäudes die Genehmigung zulassen.

Erhard Arnhold ist Prüfingenieur für vorbeugenden Brandschutz. Als Inhaber eines Ingenieurbüros beschäftigt er sich mit Arbeitssicherheit und Brandschutzgutachten.

Hans Dohmen ist als Projektleiter und Planungsingenieur tätig. Seit 2008 ist er Gesellschafter der skena Planungsgesellschaft mbH.


BTR 3 2024
Rubrik: Bau und Betrieb, Seite 16
von Erhard Arnhold und Hans Dohmen

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