Gewerke und Naturgewalten

Für die Uraufführungen „Frankenstein“ und „Kalte Freiheit“ ließen sich die Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel wieder etwas Besonderes einfallen. Dafür wurden viele Kostüme, Masken, Requisiten und das jeweilige Bühnenbild in den hauseigenen Werkstätten angefertigt – und überstehen auch mal einen Gewitterregen

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Blitz, Donner, Platzregen bei der Aufführung von „Frankenstein“ auf der Felsenbühne im Fichtelgebirge: Die monströse Maschine, die Tote mit Elektroschocks zum Leben erwecken soll, ist das kreative Konstrukt der hauseigenen Werkstätten der Luisenburg-Festspiele, doch das Gewitter ist real. Ein Scheinwerfer ist ausgefallen, überall bilden sich Pfützen. Kurzfristig wird das Musical abgebrochen. Der technische Leiter Fabian Schröter und sein Team kommen mit großen Besen und wischen die Wasserfluten weg von der Bühne.

Die Darsteller:innen treten wieder auf – ohne Regenschutz, singen und spielen sie in ihren sicher durchnässten, fantasievoll grotesken Kostümen leidenschaftlich weiter. Die Zuschauer:innen, die unter dem Zeltdach im Trockenen nur emotional mitlitten, quittierten ihr Durchhaltevermögen mit viel Szenenapplaus und Standing Ovations. Schröter arbeitet seit 2018 auf der Luisenburg mit einem Team von 25 bis 30 Personen, das zunächst coronabedingt, nun wegen des  Fachkräftemangels reduziert ist. Sie packen überall mit an, sei es bei Ton, Licht, Requisite. In der Abteilung Bühnentechnik hatte Schröter 2023 zwölf, in der Abteilung Beleuchtung drei und in den Abteilungen Ton und ...

Die Beschallungstechnik im Detail

Benjamin Gunkel von Kling & Freitag über die bei der Felsenbühne verwendeten Systeme.

Schon bei der Konzeption des Beschallungssystems der Luisenburg-Festspiele war klar, dass das nicht trivial ist. Die nach oben offene, sehr breite Szenenfläche und der von einer teils reflektiven Dachkonstruktion überspannte Publikumsbereich machen eine natürliche Beschallung nicht einfach. Das Ziel ist ja immer, eine sehr natürliche Wiedergabe mit guter Ortbarkeit der einzelnen Darsteller zu erreichen, denn einfach irgendwie laut machen kann ja jeder. Deshalb haben wir uns für eine Mischung verschiedener Systeme entschieden, die je nach Einsatzzweck ihre Stärken ausspielen. Die Hauptbeschallung übernehmen unsere Vida-Beamsteering-Systeme links und rechts auf der Bühne. Vida ist mit knapp 20 cm Breite sehr schlank, deckt aber dank der Bestückung mit 6 x 6,5 Zoll, 12 x 3,5 Zoll und 32 x 1 Zoll den gesamten Frequenzbereich sauber ab. Durch präzise Steuerung der Richtwirkung ist es möglich, Schallenergie bis weit in das Dach hinein zu bringen und die Ortung auf der Bühne zu lassen. Bei der Einmessung haben wir uns sogar dazu entschieden, den Dachraum etwas mehr anzuregen, um das Signal der Beschallung an den Direktschall anzugleichen und somit eine wirklich unauffällige, natürliche Beschallung zu realisieren, die aber dennoch exzellente Sprachverständlichkeit liefert. Aufgrund der breiten Bühne muss in der Mitte aufgefüllt werden, was mit gleich zwei im Dach geflogenen Center-Systemen realisiert wird. Hier kommen je drei Elemente unseres Sequenza-5-Line-Arrays zum Einsatz. Der große Vorteil ist dabei, dass das System aufgrund der quadratischen Anordnung der 4-x 5-Zoll-Treiber bei sehr geringer Breite eine gute Länge – und damit eine gute vertikale Direktivität – erreicht. Im hinteren Bereich der Überdachung wird im Mittel- und Hochton mit mehreren Gravis-Punktquellen aufgefüllt, sodass tonal alles sauber und frisch vorhanden ist, die Ortung aber voll und ganz bei der Bühne bleibt. Wenn ich Theater oder Opernhäuser einmesse, lege ich größten Wert darauf, die Ortung nicht durcheinander zu bringen. Ein Delay-Lautsprecher macht seinen Job dann am besten, wenn man ihn nicht wahrnimmt und er erst auffällt, wenn man ihn abschaltet. Wenn wir von Ortung sprechen, muss man sich natürlich besonders um die ersten Reihen kümmern, denn diese sind ja sehr nah am Geschehen, haben einen hohen Direktschallanteil von der Bühne und sind weit von den Hauptsystemen entfernt. Zudem treffen die Hauptsysteme von den Seiten oder von oben ein, was zusätzlich eine gute Immersion erschwert. Im konkreten Fall haben wir mit Bühnenkantensystemen nachgeholfen, die das natürliche Signal der Akteure unterstützen und sich zeitlich an der ersten Wellenfront orientieren, sodass die später eintreffenden Signale von Haupt- und Centerbeschallung keine Irritation des Bühnenbezugs mit sich bringen. Das Ziel ist es immer, dass möglichst jeder im Publikum das Gefühl hat, Schauspieler auf der Bühne zu hören und nicht ein aufwendiges Beschallungssystem. Wenn nun die Lautsprecher gut klingen und man sich Gedanken zu deren Aufstellung und Anpassung macht, kann man diesem Ziel schon sehr nah kommen und ich bin sehr glücklich darüber, dass uns das in Wunsiedel gelungen ist. Die Wiedergabe ist sehr natürlich und man kann fast glauben, nur die Schauspieler zu hören – bei Zuspielungen oder Musik hat die Anlage aber mehr als genug Fundament und Kraft, um auch konzerttaugliche Lautstärken zu realisieren. Wir bei Kling & Freitag denken, dass das ein gutes Beispiel für eine gelungene Beschallung ist. ...

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BTR 5 2023
Rubrik: Festivals & Produktionen, Seite 26
von Eva Maria Fischer

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